„Mein Name ist Sepideh. Ich komme aus Iran …“ „Dem Iran“ flüstert ihre Sitznachbarin ihr zu. Sepideh wiederholt den letzten Satz mit korrektem Artikel, dann berichtet sie in der Vorstellungsrunde kurz von ihrer Tochter, ihrem Beruf und Kall, ihrer neuen Heimat. Erst vor wenigen Wochen ist sie in Deutschland angekommen und wartet nun in der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Kall darauf, dass über ihr Asylgesuch entschieden wird. Gemeinsam mit acht weiteren Frauen besucht sie den Erstorientierungkurs, der vom Betreuungsdienstleister European Homecare angeboten und vom Bundesministerium des Innern gefördert wird. Dieser findet direkt in der Einrichtung statt. Der reguläre Integrationskurs findet später statt, wenn der Asylantrag genehmigt wurde. Da es aber vorkommen kann, dass Geflüchtete länger auf einen Bescheid warten, wird dieser Erstorientierungskurs zusätzlich angeboten. Kursleiter Dr. Harry Kunz erklärt: „Ich vermittle vor allem Alltagskompetenz. Der Kurs enthält Module wie Wohnen, Einkaufen, Gesundheit, Schule, Bildung und Beruf. Dabei werden Werte und Normen vermittelt, zum Beispiel zur Rolle der Frau oder dem Umgang mit Kindern. So bekommen die Teilnehmerinnen einen Einstieg in die Lebensweise hier vermittelt. Und natürlich die Sprache. Anfangs verständigen wir uns oft auf Denglisch, aber nach Abschluss des Kurses sind die meisten auf A1-Niveau.“ Viele der Kursbesucherinnen kommen dank guter Englischkenntnisse rasch in die neue Sprachenwelt hinein. Aber auch solche, die nur ihre Landessprache sprechen, können in den Kurs einsteigen. Dr. Kunz selbst spricht neben Englisch Französisch und lädt bei Bedarf frühere Bewohnerinnen ein, die z.B. Chinesisch, Burmesisch oder Urdu sprechen und übersetzen können.

Eine Besonderheit: Es handelt sich ausschließlich um Frauen. Die Plätze in der ZUE Kall sind für alleinreisende Frauen und Mütter mit ihren Kindern reserviert. Der Unterricht findet nicht streng nach Lehrbuch statt, sondern orientiert sich an den Bedürfnissen der Bewohnerinnen. „Neben den lebenspraktischen Dingen besteht großes Interesse an beruflichen Themen, Ausbildung, Studium und Bewerbungstipps. Die Teilnehmerinnen bereiten sich intensiv auf die Möglichkeit vor, dauerhaft in Deutschland bleiben zu können“, erläutert Dr. Kunz. Der 57-Jährige engagierte sich lange ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit. Es fällt ihm sichtlich leicht, einen Draht zu den Teilnehmerinnen aufzubauen. „Er ist der beste Lehrer!“, ist Swetlana überzeugt. Am Anfang fiel es der Ukrainerin schwer, frei zu sprechen. Doch der stark auf Kommunikation und Diskussion ausgelegte Kurs hat ihr schnell die Angst genommen, etwas falsch zu machen. Ihre Sitznachbarin Ruslana, ebenfalls aus der Ukraine, gefällt der praktische Bezug: „Der Kurs öffnet uns Türen. Wir machen viele Ausflüge, letzte Woche zum Beispiel waren wir bei einer Ausbildungsmesse.“ Dr. Kunz hat die Beobachtung gemacht, dass der Kurs viele Vorteile bringt, die sich nicht nur unmittelbar durch einen schnellen Sprachfortschritt zeigen. Auch nach positivem Asylbescheid, der mit einem Auszug aus der ZUE einhergeht, profitieren die Frauen von der Teilnahme: „Die Teilnehmerinnen treten selbstbewusster auf und wissen, welche Fragen sie stellen müssen. Sie sind in der Lage, selbst Hilfe zu finden.“